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Kaum einer kennt ihn, kaum einer beantragt ihn, kaum einer nutzt ihn, den §128a ZPO zu Verhandlungen im Wege der Bild- und Tonübertragung. Dabei wurde er im Rahmen der Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren vom 25.04.2013 neu formuliert und trat bereits am 01.11.2013 in Kraft. Und trotzdem ist seine Existenz den meisten bis heute nicht bekannt. Aufgrund der aktuellen Corona-Krise und der dadurch massiv eingeschränkten Verhandlungen rückt diese Vorschrift nun in das Bewusstsein der Gerichte und Rechtsanwälte.
Der §128a ZPO ermöglicht es, dass Gerichtsverhandlungen per Videokonferenzen abgehalten werden können. Dadurch können sich Anwalt, Zeuge und Richter jeweils an einem anderen Ort aufhalten und die Verhandlung kann trotz großer räumlicher oder auch zeitlicher Abstände abgehalten werden.
Die technischen Anforderungen an die Videokonferenzanlagen sind am Grundsatz der größtmöglichen Realitätsnähe orientiert. Das bedeutet, dass die Verhandlung per Videochat so realitätstreu wie möglich gestaltet und den teilnehmenden Personen ein realistischer Eindruck vom tatsächlichen Geschehen vermittelt werden sollte. Das betrifft folglich Kameras, Bildschirme, Mikrofone sowie deren Ausrichtung und die Verbindung. Der konkrete Ausstattungsbedarf hängt jedoch immer von den Rahmenbedingungen am Ort selbst ab, beispielsweise die Raumgröße und Raumakustik.
Wenn nun eine Gerichtsverhandlung per Videokonferenz gewünscht ist, kann zum einen ein teilnehmender Anwalt einen Antrag dafür stellen oder zum anderen können Zeugen, Sachverständiger oder eine Partei den Wunsch äußern. Bei letzterem ist ein Antrag nicht erforderlich, sondern das Einverständnis der Parteien genügt. Anschließend ist die Videokonferenztechnik der Gerichte zu prüfen, also ob die technischen Voraussetzungen am jeweiligen Gericht erfüllt sind. Die betroffenen Parteien müssen sich selbst um die notwendigen Voraussetzungen am Standort kümmern. Sind die technischen Voraussetzungen erfüllt wird der Prozess wie gewohnt terminiert und die Prozessbeteiligten zur Videokonferenz geladen. Die Videokonferenz wird dabei nicht aufgezeichnet, §128a Abs.3 S.1 ZPO.
Verhandlungen durch Videochat sind dabei nicht auf die Zivilprozessordnung reduziert. §91a FGO, §102a WvGO und §110a SGG ermöglichen ebenfalls diese Art der Gerichtsverhandlung. Auch im Strafrecht sind solche Verhandlungen gemäß §§58b, 233 StPO möglich, allerdings ist der rechtlichen Rahmen bei Strafprozessen noch umstritten.
Die Existenz dieser Vorschriften blieb bisher weitgehend unbekannt. "Ich habe den Eindruck, viele Anwälte, wissen noch gar nicht, dass es diese Möglichkeit gibt", äußerte Simon Kuhnke-Fröhlich, Richter einer Zivilkammer des LG Hannovers, dazu. Dazu kommt, dass die oben genannten Gesetze solche Verhandlungen per Videokonferenz grundsätzlich ermöglichen, allerdings keine gesetzliche Verpflichtung zur tatsächlichen Bereitstellung der technischen Anlagen darstellen. Es gibt daher keinen gesetzlichen Anspruch auf die Durchführung einer Verhandlung per Videochat, zum Beispiel wenn das Gericht nicht die notwendigen Videokonferenzanlagen besitzt.
Verhandlungen per Videokonferenz können vor allem wegen des Kontaktverbotes in der Corona-Krise als sinnvoll erachtet werden. Wichtig ist zukünftig, dass mehr Prozessbeteiligte von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. .
Josefine Schütz
Studentin der Universität Heidelberg
Hanno Stangier
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht