Sie verwenden einen veralteten Web-Browser. Bitte aktualisieren Sie ihren Web-Browser für ein besseres Internet-Erlebnis.
Im Gesellschaftsrecht gilt der Grundsatz, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, wenn es bei der Beschlussfassung innerhalb der Gesellschaft darum geht, das Verhalten eines Gesellschafters zu missbilligen. Dieser Grundsatz ist in zahlreichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts und des GmbH-Gesetzes, des Genossenschaftsgesetzes und des Aktiengesetzes verankert.
Ein Gesellschafter ist nicht schon dann ausgeschlossen bei einem Gesellschafterbeschluss mitzustimmen, wenn seine persönlichen Interessen nicht denen der Gesellschaft entsprechen, sondern immer dann, wenn es um Gesellschafterbeschlüsse geht, die darauf abzielen, das Verhalten des jeweiligen Gesellschafters zu billigen oder zu missbilligen.
In einem jetzt vom Bundesgerichtshof (Urteil vom 17.01.2023 - II ZR 76/21) entschiedenen Rechtsstreit hatte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) einen Nutzungsvertrag mit einer anderen Gesellschaft über die Nutzung von Markenrechten geschlossen.
Der Kläger war sowohl an der Gesellschaft „A-GbR“, der die Markenrechte zustanden, beteiligt, als auch mit großer Mehrheit an der Gesellschaft „B-GbR“, der die Nutzungsrechte übertragen waren.
Die Mitgesellschafter des Klägers in der A-GbR hatten ohne seine Mitwirkung beschlossen, dass der Nutzungsvertrag mit der B-GbR gekündigt werden sollte. Hintergrund der Kündigung war, dass die B-GbR gegen den Umfang des Nutzungsvertrags verstoßen hatte.
Der Kläger wandte sich gegen die Kündigung des Nutzungsvertrages. Er wollte festgestellt haben, dass der Nutzungsvertrag nicht durch die Kündigung der A-GbR, die alleine seine Mitgesellschafter ohne ihn beschlossen und ausgesprochen hatten, beendet war.
Der Bundesgerichtshof gab ihm Recht. Denn – in welcher Form auch immer Beschlüsse der Gesellschaft gefasst werden – einem Gesellschafter darf sein Teilnahmerecht an der Willensbildung der Gesellschaft nicht genommen werden. Das gilt auch dann, wenn der Gesellschafter bei dem zu fassenden Beschluss aufgrund der oben genannten Kriterien nicht mitstimmen darf.
Denn – so der Bundesgerichtshof – die Gesellschafterstellung gibt dem Gesellschafter kraft seiner Mitgliedschaft an der Gesellschaft bei der Beschlussfassung das Recht, seine Ansicht über die zur Beratung oder zur Abstimmung anstehenden Tagesordnungspunkte darzulegen und Einwendungen geltend zu machen. Der Gesellschafter hat zudem das Recht zu überwachen, ob alle nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag zur Beschlussfassung notwendige Förmlichkeiten eingehalten werden.
Im entschiedenen Rechtsstreit ging es um eine GbR ohne schriftlichen Gesellschaftsvertrag. Nach den gesetzlichen Regelungen unterliegen in der GbR zu fassende Gesellschafterbeschlüsse keinen bestimmten Formerfordernissen. Trotzdem muss dem Gesellschafter auch ohne besondere Anforderungen an die Form der Entscheidungsfindung die Gelegenheit haben, die Willensbildung innerhalb der Gesellschaft nachvollziehen zu können und die Möglichkeit haben, auf die Meinungsbildung der anderen Gesellschafter Einfluss zu nehmen.
Weil der Kläger auch an der B-GbR beteiligt war, hätte er hätte bei der Entscheidung der A-GbR über die Kündigung des Nutzungsvertrages mit der B-GbR im Ergebnis in eigener Sache „richten“ müssen und deshalb nicht mitstimmen dürfen.
Der entschiedene Rechtsstreit zeigt ein in Gesellschafterstreitigkeiten häufig vorkommendes Problem auf: Mitgesellschafter gehen (zurecht) von einem Stimmverbot eines Gesellschafters aus und beteiligen diesen (zu Unrecht) nicht an einer Abstimmung – der banal erscheinende Formfehler führt zur Unwirksamkeit des Beschlusses. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt abermals die enge Bindung der Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag untereinander und gleichzeitig, dass Formfehler bei der Willensbildung innerhalb der Gesellschaft weit reichende Konsequenzen haben können. Im entschiedenen Fall dürfte der Nutzungsvertrag über die gesamte Dauer des Gesellschafterstreits fortbestanden haben, ein Ergebnis, das sich die anderen Mitgesellschafter des Klägers sicherlich so nicht vorgestellt haben.
Johannes Grote
Rechtsanwalt