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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 16.11.2022, Az. VIII ZR 383/20, entschieden, dass ein Verkäufer jederzeit und auch stillschweigend auf den Einwand verzichten kann, dass der Vertragspartner Mängel zu spät gerügt hat. Ein Verkäufer muss dafür aber eindeutig zum Ausdruck bringen, dass er tatsächlich auf den Einwand der verspäteten Mängelrüge verzichten will. Dafür reicht es nicht aus, dass ein Verkäufer den Käufer über Möglichkeiten zur Sachmangelbeseitigung informiert, obwohl die Frist zur Rüge von Sachmängeln schon abgelaufen ist.
Was war passiert? Der Käufer hatte 2015 ein vom Dieselskandal betroffenes Fahrzeug gekauft. Im Oktober 2016 informierte der Verkäufer den Käufer über ein zur Verfügung stehendes Software-Update. Im November 2016 erklärte der Käufer die Anfechtung des Kaufvertrages und trat vom Kaufvertrag zurück. Er verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeuges.
Der Verkäufer berief sich darauf, dass der Käufer Sachmängel zu spät gerügt habe.
Nach § 377 Abs. 1 HGB hat bei einem beiderseitigen Handelsgeschäft der Käufer Ware unverzüglich nach der Anlieferung zu untersuchen und, wenn sich dabei ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen. Unterlässt der Käufer die Anzeige, gilt die Ware nach § 377 Abs. 2 HGB als genehmigt, es sei denn, der Mangel war bei der Untersuchung nicht erkennbar. Nach § 377 Abs. 3 HGB muss ein solcher Mangel, der sich erst später zeigt, unverzüglich nach Entdeckung geltend gemacht werden, andernfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt.
Der Käufer war im entschiedenen Fall der Auffassung, der Verkäufer habe durch sein Angebot des Software-Updates im Jahr 2016 zum Ausdruck gebracht, er werde dem Käufer die verspätete Mängelrüge nicht entgegenhalten, sondern stehe zu seiner Gewährleistungsverpflichtung. Das sah der BGH anders.
§ 377 HGB ist eine "scharfes Schwert" bei Handelsgeschäften, wenn sich der Verkäufer gegen Sachmängelansprüche des Käufers verteidigen möchte – und wird immer wieder übersehen. Rügt der Käufer einen Sachmangel nicht sofort, obwohl er ihn bei üblicher Warenprüfung nach Wareneingang hätte erkennen können (oder bei zunächst nicht erkennbaren Mängeln später, nachdem er den Mangel erkannt hat), kann der Verkäufer schon deshalb Mängelansprüche zurückweisen. Es bleibt dem Verkäufer überlassen, ob er den Einwand einer verspäteten Mängelrüge gegenüber dem Käufer erhebt und der Verkäufer kann auf den Einwand auch verzichten – Es mag ja Kundenbeziehungen geben, die man gerne halten möchte. Alleine mit der Information über Mangelbeseitigungs- oder Handlungsmöglichkeiten verzichtet der Verkäufer hierauf aber nicht, so der BGH.
Der BGH hob hervor, dass eine solche Verzichtserklärung des Verkäufers eindeutige Anhaltspunkte dafür enthalten muss, dass der Verkäufer seinen Verspätungseinwand endgültig aufgeben möchte. Aus der Entscheidung geht damit hervor, dass der BGH wahrscheinlich anders entschieden hätte, wenn die Erklärung des Verkäufers eine Einstandspflicht gegenüber dem Käufer beinhaltet hätte, also der Verkäufer vorbehaltlos eine Nachbesserung der Kaufsache versprochen hätte. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hebt die schnelle Handlungspflicht des Käufers im Zusammenhang mit Mängeln bei einem beiderseitigen Handelsgeschäft hervor. Verpasst der Käufer die Gelegenheit, dem Verkäufer rechtzeitig einen Mangel anzuzeigen, steht er vor extrem hohen Hürden und kann sich argumentativ nur äußerst schwierig von seinem Versäumnis befreien. Aber auch der Verkäufer ist gut beraten ist, sich vor seiner Reaktion auf Sachmangelforderungen seiner Kunden rechtlichen Rat einzuholen, um sich seinen Einwand nicht leichtfertig abzuschneiden.
Johannes Grote
Rechtsanwalt