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Der Bundesgerichtshof hat durch Urteil vom 08.08.2019 (Az. VII ZR 34/18) einen ehernen Grundsatz im Baurecht aufgegeben. Die goldene Regel "guter Preis bleibt guter Preis und schlechter Preis bleibt schlechter Preis" gilt jedenfalls für die Berechnung einer Vergütung im Fall von Mengenmehrungen oder Mengenänderungen einer vertraglich definierten Einzelposition nicht mehr. Ob dies auch für zusätzliche Vergütungsansprüche für geänderte oder zusätzliche Leistungen gelten soll, ist jedoch zunächst noch offen.
Die Entscheidung betrifft ausschließlich Verträge, in denen die VOB/B als Vertragsgrundlage wirksam vereinbart wurde. Wird ein sogenannter Einheitspreis vereinbart, dann ist das Urteil einschlägig. Ein Einheitspreisvertrag sieht vor, dass für eine bestimmte Leistung ein Preis pro Abrechnungseinheit vereinbart wird – z. B. 462,00 € pro Tonne Entsorgung Bauschutt. Im Bauvertrag wird weiter vereinbart, von welcher anfallenden Menge die Parteien ausgehen. § 2 Abs. 3 VOB/B gibt nun vor, ob sich der Preis ändert, wenn die tatsächlich ausgeführten Mengen um mehr als 10 % nach unten oder oben von der vorgesehenen Ausführungsmenge abweichen. In diesen Fällen soll ein neuer Preis vereinbart werden. Bislang war es so, dass dieser neue Preis unter Berücksichtigung der ursprünglichen Kalkulation des Auftragnehmers gebildet wird. Seit Jahrzehnten heißt es: Guter Preis bleibt guter Preis und schlechter Preis bleibt schlechter Preis. Dem hat der BGH nun ein Ende gesetzt: Künftig soll der neue Preis nicht etwa auf Grundlage der Urkalkulation des Unternehmers gebildet werden, sondern nach den tatsächlich erforderlichen Preisen, den Preisen also, die der Auftragnehmer redlicher Weise aufwenden musste um die Mehr- oder Mindermengen auszuführen. Nicht entschieden ist, ob dieser Paradigmenwechsel auch dann Platz greift, wenn geänderte oder zusätzliche Leistungen durch den Bauherrn angeordnet werden. Hier werden sich die Baurechtler noch etwas gedulden müssen, bis der BGH auch insoweit eine klarstellende Entscheidung verkündet.
Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis: Soweit der Auftragnehmer in diesen Fällen die tatsächlichen – höheren - Kosten für die Mehrmengen nachweist und diese objektiv erforderlich sind, um die Leistung zu erbringen, so hat er Anspruch auf diese Vergütung. In Zeiten stetig steigender Baukosten sicherlich eine Erleichterung für den Auftragnehmer. Der BGH stellt aber auch klar: Soweit die Parteien in dem abgeschlossenen Bauvertrag eine andere Abrechnungsmethodik vereinbaren, so hat diese immer Vorrang. Ein guter Vertrag hilft also auch in der Zukunft, Abrechnungsschwierigkeiten angemessen zu regeln.
Dr. Michael Borchard
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht