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LAG Düsseldorf Urteil vom 9. Dezember 2020 – 12 Sa 554/20 (nicht rechtskräftig)
Das LAG Düsseldorf hat sich mit der Frage beschäftigt, ob vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung die einmalige Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements („BEM“) ausreicht oder ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer das BEM nach jeder Vollendung eines Sechs-Wochen-Zeitraums erneut anzubieten.
Diese Frage ist in der Judikatur der einzelnen LAG – Rechtsprechung umstritten, das LAG Düsseldorf hat sich der wohl überwiegend vertretenen Auffassung angeschlossen, wonach der Abschluss eines jeden Verfahrens als „Tag Null“ einen neuen Referenzzeitraum von einem Jahr in Gang setzt.
Im konkreten Fall war der Kläger in den Jahren 2017 – 2019 wiederholt arbeitsunfähig erkrankt, der Arbeitgeber hat am 5. März 2019 ein BEM durchgeführt, das am selben Tag abgeschlossen wurde. Daraufhin war der Arbeitnehmer einige Monaten arbeitsfähig, um dann im Zeitraum 03.06.2019 – 17.11.2019 insgesamt wieder mehr als sechs Wochen noch im Jahr 2019 arbeitsunfähig zu sein. In dem Verfahren ging es ging um die Frage, ob die am 26. Februar 2020 ohne weiteres BEM-Verfahren durchgeführte Kündigungserklärung wirksam war. Der Arbeitgeber hat mit dem LAG Hessen argumentiert, wonach die Durchführung eines einzigen BEM-Verfahrens innerhalb eines Jahreszeitraums ausreichend sei (so z.B. Hessisches LAG v. 17.02.2017 – 14 Sa 690/16) und dass die Nichtdurchführung eines zweiten BEM-Verfahrens im Jahr 2019 im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der krankheitsbedingten Kündigung nicht zu Lasten des Arbeitgebers gehen dürfe. Er vertrat im Ergebnis die Auffassung, dass das erste BEM-Verfahren im Jahr 2019 ausreichend sei und „vorgehalten“ hätte.
Das Landesarbeitsgericht in Düsseldorf vertritt eine andere Auffassung und hat ausgeführt, dass ein durchgeführtes BEM-Verfahren kein „Mindesthaltbarkeitsdatum“ habe. Der Arbeitgeber sei vielmehr verpflichtet gewesen, das BEM-Verfahren erneut durchzuführen, wenn der Arbeitnehmer nach Abschluss des letzten BEM bzw. der Umsetzung der im Rahmen der BEM-Gespräche beschlossenen Maßnahmen erneut länger als sechs Wochen arbeitsunfähig gewesen sei. Die Arbeitgeberin hätte also schon im September 2019 ein weiteres BEM-Verfahren einleiten müssen.
Das LAG Düsseldorf lehnt eine Begrenzung der rechtlichen Verpflichtung auf eine nur einmalige Durchführung des BEM innerhalb eines Jahreszeitraums ausdrücklich ab, weil sich diese Begrenzung nicht dem Gesetz nicht entnehmen lasse. Es argumentiert auch, dass dies dem Schutzzweck der Vorschrift entgegen stehe. Durch die Einführung des § 167 Abs. 2 SGB IX habe der Gesetzgeber der Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz einen stärkeren Stellenwert verschaffen wollen. Der Arbeitgeber soll durch die ihm auferlegten Verhaltenspflichten solle möglichst frühzeitig einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses kranker Menschen begegnen, wodurch die dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erreicht werden soll. Diesem Schutzzweck stünde die Eingrenzung auf eine einmalige Durchführung eines BEM pro Jahr entgegen.
Es bleibt abzuwarten, wie das BAG entscheiden wird. Bis dahin wird man in jedem Fall aber Arbeitgebern raten müssen, Arbeitnehmern stets ein erneutes BEM anzubieten, da den Arbeitgeber eine entsprechende Initiativpflicht (BAG, Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 755/13) trifft.
Ob Arbeitnehmer einen Anspruch auf Durchführung eines BEM besitzen, ist ebenfalls umstritten. Während das LAG Hamm einen Anspruch auf Durchführung eines BEM bejaht (Urteil vom 13.11.2014 – 15 Sa 979/14), hat das LAG Nürnberg entschieden, dass kein einklagbarer Anspruch der Arbeitnehmer auf Durchführung eines BEM existiert (Urteil vom 8.10.2020 – 5 Sa 117/20).
Ralf Regel
Fachanwalt für Arbeitsrecht