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Problem: Wahrt ein per WhatsApp versandtes Mangelbeseitigungsverlangen das Formerfordernis der Schriftlichkeit nach § 13 Abs. 5 VOB/B und führt dies zum „Quasi-Neubeginn“ der selbständigen zweijährigen Verjährungsfrist?
Antwort: Nein, denn einer WhatsApp-Nachricht fehlt es an der Möglichkeit der Speicherung auf einem dauerhaften Datenträger. Denn WhatsApp dient dem eiligen und flüchtigen Austausch emotionaler und privater Nachrichten. Bei einer Mängelrüge steht im Gegensatz dazu das wohl überlegte Handeln mit der Folge weitreichender rechtlicher Konsequenzen im Vordergrund. Dazu sind Social-Media-Plattformen oder Messenger-Dienste wie WhatsApp aufgrund der Flüchtigkeit und Schnelligkeit der ausgetauschten Informationen ungeeignet. Für die klassische Mängelrüge per Post oder per E-Mail spricht sich jedenfalls nunmehr das OLG Frankfurt mit Urteil vom 21.12.2023 (Az. 15 U 211/21) aus.
Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde:
Die Klägerin ließ als Auftraggeberin auf ihrem Betriebsgelände ein neues Bürogebäude errichten. Die Dachdeckerarbeiten vergab sie an die Beklagte auf Grundlage der VOB/B. Eine förmliche Abnahme erfolgte nicht. Die Schlussrechnung wurde im November 2012 übersandt und von der Klägerin beglichen. Im Jahr 2014 stellte die Klägerin Undichtigkeiten am Dach fest. Am 28.06.2016 schrieb der Geschäftsführer der Klägerin an die Beklagte per WhatsApp-Chat: „Das Dach im Bürogebäude leckt immer noch, bitte schau Dir das nochmal an“. Dies beantwortete der Beklagte per WhatsApp am 29.06.2016 knapp mit der Bestätigung: „OK“.
Die Klägerin leitete im November 2019 ein selbstständiges Beweisverfahren gegen die Beklagte ein. Der Sachverständige ermittelte in seinem Gutachten den Aufwand zur Mangelbeseitigung auf 80.600,00 € netto. Erst am 18. Mai 2020 forderte die Klägerin mit anwaltlichem Aufforderungsschreiben den Beklagten erfolglos unter Fristsetzung bis zum 02. Juni 2020 zum Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung auf.
Im Prozess erhob die Beklagte die Einrede der Verjährung mit der Begründung, Mängelansprüche seien aufgrund der vierjährigen Verjährungsfrist nach § 13 Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 VOB/B bereits im November 2016, also vier Jahre nach Übersendung und Begleichung der Schlussrechnung, verjährt. In erster Instanz war die Klägerin mit ihrem Anspruch auf Aufwendungsersatz zur Mängelbeseitigung erfolgreich. Das Landgericht Marburg hatte die Beklagte nach Einholung eines Sachverständigengutachten im selbstständigen Beweisverfahren zur Zahlung von Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 80.600,00 € netto verurteilt. Der Anspruch, so das LG Marburg, sei nicht verjährt, denn die Übersendung der Mängelanzeige per WhatsApp vom 28.06.2016 und die unmittelbar auf dem Fuße folgende Zusage des Beklagten am Folgetag per WhatsApp habe die Hemmung der Verjährung gemäß § 203 Satz 1 BGB in Form von Verhandlungen über Mängelansprüche eintreten lassen. Wegen der Nachbesserungsarbeiten im Jahr 2017 und den danach zwischen den Parteien schwebenden Verhandlungen über die Mangelbeseitigungsansprüche habe die Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens im November 2019 erneut rechtzeitig die Verjährung der Mängelrechte gehemmt. § 203 BGB, so das LG Marburg, verlange keine schriftliche Mängelrüge, auch die über WhatsApp verfasste Mängelrüge stelle eine schriftliche Mängelrüge i. S. v. § 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B dar.
Eine mögliche Verjährungshemmung durch Verhandlungen auf WhatsApp bestätigte das OLG Frankfurt, wies die Klage aber dennoch ab, weil § 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B als Formerfordernis die Schriftlichkeit des Mangelbeseitigungsverlangens voraussetze. Gemäß § 12 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B gelte die Leistung mit Ablauf von zwölf Werktagen nach schriftlicher Mitteilung über die Fertigstellung der Leistungen als abgenommen, diese schriftliche Mitteilung liege hier in der Übersendung der Schlussrechnung im November 2012. Damit habe die Verjährung zu laufen begonnen, die daraufhin geführten Verhandlungen über den Mangelbeseitigungsanspruch seien aber nicht lange genug geführt worden. Zwar sei aufgrund der WhatsApp-Nachricht vom 28.06.2016, die Rückmeldung mit der Bestätigung „OK“ und der darauffolgenden Dachbegehung von Verhandlungen i. S. v. § 203 BGB auszugehen, diese seien aber schon nach kurzer Zeit wieder eingeschlafen, weil innerhalb eines Monats grundsätzlich mit einer Reaktion des Auftragnehmers auf das berechtigte Mangelbeseitigungsverlangen zu rechnen sei. Weitere Reaktionen habe es in der Folgezeit nicht gegeben.
Einem selbständigen Neubeginn der Verjährung mit Übersenden der Mängelanzeige per WhatsApp gemäß § 13 Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 VOB/B erteilt das OLG Frankfurt eine klare Absage. Die Verjährung habe nicht quasi neu zu laufen begonnen. Denn nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B verjähre der Anspruch auf Beseitigung der gerügten Mängel zwar selbständig in zwei Jahren ab Zugang des schriftlichen Mängelbeseitigungsverlangens, jedoch nicht vor Ablauf der Regelfristen nach § 13 Abs. 4 VOB/B oder der an ihrer Stelle vereinbarten Frist. Dies bedeute, dass mit dem Zugang eines schriftlichen Mängelbeseitigungsverlangens eine gesonderte zweijährige Frist zu laufen beginne (sogenannter „Quasi-Neubeginn“ der Verjährung), die für die Verjährung der Mängelansprüche nur dann relevant werde, wenn diese nach der Regelfrist bzw. der vertraglich vereinbarten Frist abgelaufen wären. Die von der VOB/B geforderte Schriftform sei hier jedoch nicht beachtet. Denn die Klägerin habe mit Übersendung einer Mängelrüge an den Beklagten per WhatsApp am 28. Juli 2016 dem Schrifterfordernis der VOB/B nicht Genüge getan.
Zur näheren Begründung führt das OLG Frankfurt aus, bei einer WhatsApp-Nachricht fehle es an der erforderlichen Schriftlichkeit i. S. v. § 13 Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 VOB/B. Die danach gebotene Schriftlichkeit werde zwar durch eine E-Mail gewahrt, denn gemäß § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB werde die - wie durch die Einbeziehung der VOB/B vereinbarte - gewillkürte Schriftform durch die telekommunikative Übermittlung gewahrt. § 126 BGB gelte deshalb für das Schriftformerfordernis der VOB/B nicht, es handle sich bei der VOB/B nicht um eine durch Gesetz vorgeschriebene Schriftform. Die Erklärung mittels einer WhatsApp-Nachricht erfülle die Schriftform gleichwohl nicht. § 127 Abs. 2 BGB erlaube zwar die Übermittlung eine Erklärung, die durch Rechtsgeschäft in schriftlicher Form erfolgen müsse, auch über Telekommunikationsmittel. Gemeint sei jedoch eine Erklärung, die in gleicher Weise wie ein Schriftstück verfasst ist und in einer der Übergabe des Schriftstücks ersetzenden Art an den Erklärungsempfänger übermittelt wird. Aus der Erklärung müsse sich unzweideutig ergeben, von wem die Erklärung abgegeben worden ist. Zudem müsse der Erklärungsempfänger in der Lage sein, dieses Schriftstück auszudrucken und dauerhaft abzuspeichern bzw. zu archivieren.
In der weiteren Begründung zeigt sich, dass die Richter des OLG Frankfurt offenkundig mit den technischen Finessen des Messenger-Dienstes und der Nutzung von Smartphones noch nicht ganz vertraut sind: Diesen Anforderungen - so das OLG - entspreche die Übermittlung per Messenger-Dienst nicht. Insbesondere fehle es an einer hinreichend sicheren (gegebenenfalls auch nur elektronischen) Möglichkeit der dauerhaften Archivierung und des Ausdrucks. Denn derartige Nachrichten würden typischerweise nur über Smartphones versendet, ohne dass eine dauerhafte Aufbewahrung gesichert wäre. Hinzu komme der Umstand, dass selbst der bloße Namenszusatz nicht ohne weiteres hinreichend sichere Gewähr biete, welche Person die darin enthaltene Erklärung rechtlich verantwortet, wenn es sich um eine über den Austausch rein privater Nachrichten hinausgehende rechtsgeschäftliche oder in sonstiger Weise bindende Erklärung handeln soll. Zudem fehle es auch deshalb an einer Möglichkeit der dauerhaften Archivierung, da derartige Nachrichten vom Absender auch beim Empfänger gelöscht werden könnten. Schließlich sei aus einer bloßen WhatsApp-Nachricht - anders als bei einer E-Mail - der Absender der Erklärung nicht ohne weiteres erkennbar, weil die Kennung/Registrierung allein mit einer Telefonnummer erfolge, die auf keinen bestimmten Absender verweise. Ferner sei zu berücksichtigen, dass ein Formerfordernis auch die Bedeutung habe, die erklärende Person zu warnen und vor übereilter Abgabe der Erklärung zu schützen. Ein Messenger-Dienst werde aber weit übergehend nur zum raschen Austausch rein privater Nachrichten benutzt und gerade nicht zur Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen. Denn bei Letzteren stehe nicht die Emotionalität privater Nachrichten im Vordergrund, sondern das überlegte Handeln und rechtliche Konsequenzen. Ein Messenger-Dienst und dessen Benutzung sei folglich ungeeignet, um eine solche Funktion des Formerfordernisses zu wahren, weil insbesondere die typische Art und Weise der Benutzung dem entgegenstehe.
Fazit: Sprechen Sie über WhatsApp Liebeserklärungen, aber keine Mängelrügen aus! Auch wenn die Entscheidung des OLG Frankfurt vor dem Hintergrund der dauerhaften Speichermöglichkeit der über den Messenger-Dienst WhatsApp übermittelten Textnachrichten auf einem dauerhaften Datenträger durch eine Sicherung über Anbieter wie Google Drive, Cloud-Dienstleister, automatisch wiederkehrende System-Backups oder schlicht per Screenshot im Datenspeicher des Mobiltelefons durchaus antiquiert und fragwürdig scheint, ist zur rechtssicheren Abfassung präzise formulierter Mängelanzeigen und Mängelbeseitigungsverlangen per E-Mail zu raten. Freilich überzeugt die Unterscheidung zwischen einer E-Mail und einer WhatsApp-Nachricht mit dieser Begründung nicht. Denn auch eine E-Mail wird telekommunikativ übermittelt und ist nicht körperlich als Schriftstück vorhanden. Die Möglichkeit der dauerhaften Archivierung, der Sicherung auf einem dauerhaften Datenträger und des Ausdrucks steht nach heutigen Möglichkeiten bei WhatsApp-Nachrichten der Perpetuierung einer E-Mail-Kommunikation in nichts mehr nach. Insbesondere vermag die Argumentation nicht zu überzeugen, bei Verwendung von Smartphones sei kein Rückschluss auf eine bestimmte Identität des Verfassers möglich. Dies ist bei einer einfachen, nicht signierten E-Mail ebenso nicht möglich. Ob auf dem Smartphone die E-Mail-App der Telekom genutzt wird oder die Messenger-App des Dienstleisters Meta kann wahrlich keinen Unterschied machen. Es bleibt abzuwarten, ob sich auch der Bundesgerichtshof dieser antiquierten Rechtsauffassung anschließen wird.
David Hellmanzik
Rechtsanwalt