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Mit Urteil vom 13.11.2021, Az: 5 AZR 2011/21, hat das BAG eine völlig überraschende Entscheidung getroffen. Das BAG vertritt in Abweichung der Rechtsprechung der Instanzgerichte eine überraschende Entscheidung: Dann, wenn Behörden eine Betriebsschließung anordnen, zähle dies nicht zum Betriebsrisiko des Unternehmens und führe nicht zu einem Anspruch auf Weiterzahlung der Vergütung.
Worum ging es?
Eine als Verkäuferin in einem Handel für Nähmaschinen und Zubehör als Minijobberin tätige Mitarbeiterin begehrte vom Arbeitgeber Zahlung der Vergütung. Die Freie Hansestadt Bremen hatte das Ladengeschäft im April 2020 geschlossen und berief sich dabei auf die zu diesem Zeitpunkt gültige Corona-Allgemeinverfügung. Die Klägerin konnte nicht mehr arbeiten, der Arbeitgeber zahlte keine Vergütung.
Grundsätzlich gilt im Arbeitsrecht: Ohne Arbeit kein Lohn.
Die Klägerin argumentierte, dass der Arbeitgeber sich gemäß § 615 BGB in Annahmeverzug befände und deshalb dennoch zahlen müsse. Die Betriebsschließung aufgrund des „Lockdowns“ sei ein typisches Beispiel dafür, dass sich das von Arbeitgeberseite zu tragende Betriebsrisiko verwirklicht habe.
Das BAG vertritt die Auffassung, dass in den Fällen, in denen ein Arbeitgeber in der Corona-Pandemie Betriebe aufgrund eines staatlich verfügten Lockdowns über einen längeren Zeitraum schließen muss, dies nicht als das Risiko des Arbeitgebers (sog. Betriebsrisiko) einzustufen ist. Insbesondere sei der Arbeitgeber deshalb nicht verpflichtet, den Mitarbeitern für den Schließungszeitraum eine Vergütung zu zahlen.
Die Besonderheit des Falls:
Der Arbeitgeber konnte einige Beschäftigte nicht in Kurzarbeit schicken, weil gerade Minijobber ohne Sozialversicherungspflicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeit (§§ 95 Nr. 3, 98 SGB III i. V. m. § 8 SGB IV) nicht erfüllen. Die Klägerin wurde, wie andere Mitarbeiter, als Minijobberin deshalb ohne Kurzarbeitergeld nach Hause geschickt, die Lohnzahlung eingestellt.
Das BAG vertritt die Auffassung, dass in diesem Fall der Staat für den Ausgleich sorgen muss, wenn er durch hoheitlichen Eingriff (Anordnung des Lockdowns) zur Bekämpfung der Pandemie, Betriebsstilllegungen anordnet. Dass der Staat in der Lage sei, für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen, habe sich in der Pandemie gezeigt, weil neue Regeln zur Kurzarbeit mit erleichtertem Zugang beschlossen worden waren.
Das BAG wendet sich damit ausdrücklich gegen Entscheidungen diverser Instanzgerichte, so z. B. vom LAG Düsseldorf, Urteil vom 30.03.2021 - 8 Sa 674/20 oder vom LAG Sachsen, diese hatten das Betriebsrisiko auf Seiten der Arbeitgeber, wegen der Betriebsschließung aufgrund des Lockdowns, bejaht. Es bleibt aber offen, ob das BAG für sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer bei derselben Linie bleibt. Bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten kann der Arbeitgeber Kurzarbeit, ggf. auch Kurzarbeit „Null“ beantragen, wodurch das Lohnausfallrisiko begrenzt wird. Es wird abzuwarten sein, wie das BAG in diesen Fällen entscheidet.
Völlig anders sind die Fälle zu bewerten, in denen Arbeitgeber aus eigenem Antrieb beschlossen haben, den Betrieb zu schließen und einen oder mehrere Mitarbeiter zum Schutz der sonstigen Belegschaft in Quarantäne zu schließen. So hat das LAG Düsseldorf, Urteil vom 30.03.2021 - 8 Sa 674/20 zu Gunsten eines Arbeitnehmers entschieden, dass die wegen der Quarantäne ausgefallene Arbeitszeit nicht von seinem Arbeitszeitkonto abzuziehen sei. Entscheidend dabei war, dass die Quarantäneordnung vom Arbeitgeber und gerade nicht von der zuständigen Gesundheitsbehörde oder aufgrund des staatlich angeordneten Lockdowns ausgesprochen war.
In dieselbe Richtung geht auch die Entscheidung des Arbeitsgerichts Dortmund, Urteil vom 24.11.2020 – 5 Ca 2057/20. Der Arbeitgeber hatte aufgrund eigenen Entschlusses einem Mitarbeiter, der sich zum Zeitpunkt der Einstufung von Tirol als Risikogebiet dort in einer Ferienwohnung mit Selbstversorgung aufgehalten hatte, Quarantäne angeordnet. Er hat den Arbeitnehmer angewiesen, er solle zwei Wochen in Quarantäne gehen, der Arbeitnehmer kam der Aufforderung nach. Die dadurch ausgefallene Arbeitszeit wurde vom Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers abgezogen. Das Arbeitsgericht bejaht auch hier den Lohnanspruch und verneint die Rechtmäßigkeit des Abzugs aus dem Gleitzeitkonto mit dem Argument, dass die Quarantäneanordnung durch den Arbeitgeber und gerade nicht durch eine staatliche Stelle erfolgt sei.
Ralf Regel
Fachanwalt für Arbeitsrecht