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Das Problem:
Die Juristen haben ihre eigene Sprache, so ist Rechtsberatung immer auch eine Übersetzungshilfe der Juristensprache in eine deutsche Sprache, die jedermann versteht. Besonders deutlich wird dies im Erbrecht bei der Verwendung der Begrifflichkeiten „erben“ und „vermachen“. Während umgangssprachlich kein Unterschied gemacht wird zwischen „vererben“ und „vermachen“ und nicht selten der Erblasser in seinem Testament unpräzise formuliert, ist die juristische Sprache hier sehr genau: Der oder die Erben eines Erblassers treten vollumfänglich in alle Rechte und Pflichten des Erblassers ein. Diese Universalrechtsnachfolge ist gut mit der „Fußstapfentheorie“ zu erklären: Der oder die Erben treten in die Fußstapfen des Verstorbenen. Wenn der Erblasser aber einzelne Gegenstände an unterschiedliche Personen zuwenden möchte, so vererbt er nicht das Auto an den Neffen A und das Haus an die Tochter B, sondern setzt Vermächtnisse aus.
Der Fall:
In seinem privatschriftlichen Testament verfügte der Erblasser, dass seine Lebensgefährtin „Erbin des Hauses und des Barvermögens“ sein solle und sie auch für Beerdigungs- und Folgekosten „zeichnen solle“. Seinen Neffen und seiner Nichte „vererbte“ der Erblasser weitere Grundstücke. Das OLG Saarbrücken sollte nun darüber entscheiden, ob die Lebensgefährtin Alleinerbin des gesamten Vermögens geworden ist (Fußstapfentheorie) und "nur" die Grundstücke an die Nichte und den Neffen herausgeben musste. Diese vertraten nämlich die gegenteilige Auffassung: Sie seien (gemeinsam) die Erben des gesamten Vermögens geworden und nur zur Herausgabe des Barvermögens und des Hauses an die Lebensgefährtin verpflichtet.
Praxishinweis:
Testamente sind nach dem Willen des Erblassers auszulegen. Das Gericht (hier: OLG Saarbrücken, Az. 5 W 15/22) stand vor der schwierigen Aufgabe, den Willen des Erblassers zu erforschen, ohne ihn nach dessen Tod mehr befragen zu können. Wenn wie hier ein Großteil des Vermögens und auch die Beerdigungs- und Folgekosten an eine Person übergehen sollen, dann ergibt die Auslegung des Testamentes, dass diese Person der Alleinerbe des Erblassers werden soll. Der Umstand, dass die weiteren Personen, die bestimmte Gegenstände erhalten sollen irrtümlich auch als "Erben" bezeichnet werden, ist nicht entscheidend. Neffe und Nichte sind rechtlich "nur" Vermächtnisnehmer. Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung ist es dringend anzuraten sich vor der Erbfassung eines Testamentes rechtlich beraten zu lassen, denn gerade im Testament kommt es auf jedes Wort und seine juristische Bedeutung an.
Dr. Michael Borchard
Rechtsanwalt